Aussteigen – aber wie?


Der Autor des Blogs

Die katastrophalen Folgen der Tierhaltung in der Landwirtschaft …

Hallo Johannes,

übrigens, um kurz auf Goethe zu kommen, ist Dir bekannt, dass Goethe von seiner Mutter „HätschelJohannes“ genannt wurde? Und auch, dass der Geheimrat von und zu Goethe es nicht fertig gebracht hatte, zur Beerdigung seiner Mutter zu erscheinen? – Und das ein Goethe sich seiner „niederen“ Herkunft geschämt und ein Leben lang an seinen dämlichen Komplexen gelitten hat? Er stammte aus einer ordentlichen, lebenstüchtigen, sogar reichen Schneider- und Wirte-Dynastie. Soviel erst mal zu unserem Dichterhelden und dessen hochgelobte Persönlichkeit. Irgendwie habe ich das Gefühl, Bauchgefühl, dass unsere Nation sich mit Goethe nur schmückt, ohne ihn auch nur ansatzweise begriffen zu haben.
Zum interessanten Büchlein dieses Aussteiger-Ratgebers Schönauer: Er lässt an einer Stelle den Erich From (Gott hab ihn selig) sagen, der Mensch bräuchte eigentlich nicht mehr, als zum Überleben unumgänglich. Aber das ist nun wirklich Ansichtssache. Darf’s aber auch ein wenig mehr sein? Unsere Moral, zusammen mit Intelligenz, steuert diesen Anspruch und lässt ihn nicht überborden.
Unter „Land genug“ findet sich die unausgegorene Überlegung, dass Millionen Menschen leben könnten wie Gerhard Schönauer, wer immer das ist. Geht aber nicht. So viel Natur gibt es gar nicht. Das ist etwa so wie die Werbung, dass bei der ARD alle in der ersten Reihe sitzen können. Das geht auch nicht. Und hierzu muss man nicht einmal bis drei zählen können.

Es finden sich auch statistische Angaben und flüchtige Berechnungen über Bedürftigkeit, hier auf Fleisch bezogen. Ich bin inzwischen so weit, die Meinung zu vertreten, dass der Mensch überhaupt kein Fleisch zum Leben und zum Überleben benötigt. Nebenbei: Esse seit einiger Zeit auch keinen Fisch mehr. Das war ein Ausstieg aus festgefahrenen Gewohnheiten. Und das dient meinem Seelenheil.
Meine Beobachtung an der Spezies Mensch münden in der Feststellung, dass bei den allermeisten von uns die Eitelkeit Träger jener Energie ist, die Menschen nach außen hin zwar erfolgreich und gelegentlich auch reich werden lässt, aber im Innern ausdörrt.

Irgendwie bin auch ich auf meine Weise doch auch ausgestiegen. Eigentlich bereits mehrmals. Vor 13 Jahren habe ich z. B. damit aufgehört, das Fleisch anderer Lebewesen zu essen, bis auf den Fisch. Hier hatte ich noch Bedenken hinsichtlich meiner Gesundheit. Aber die wertvollen Omega 3 Fettsäuren lassen sich auch auf andere Weise dem Körper zuführen. Und gar so viel braucht man auch wieder nicht. Heute bin ich clean. Und noch nicht tot.

Eine der fürchterlichsten Geiseln der Menschen ist nach meiner bescheidenen Auffassungsgabe vor allem die Eitelkeit. Derer frönt der Mensch am meisten. Verbunden damit ist selbstredend das Streben … nach Ansehen von außen, durch andere. Vor allem, wenn der innere Halt nicht mit wächst, nicht mit gewachsen ist. Dann kommt die Gier. Nach Geld. Nach Statussymbolen. Und nach Macht! Durch Geld oder Bildung. Wie heißt es doch gleich? – Ah, Bildung ist Macht. Aber auch hier haben wir so ziemlich alles missverstanden. Intelligenz darf sich nicht gegen andere richten. So mein Standpunkt. Solange wir das nicht begreifen, werden wir unsere Welt nicht besser machen können. Weil wir uns nicht ändern können. Und wenn ja, lassen wir uns zu viel Zeit damit. Unser Motto: Warum jetzt, es geht doch noch in hundert Jahren. Alles, worüber wir uns echauffieren, ist selbst gemacht. Am Ende bleibt alles zurück, wird bedeutungslos. Das wirklich Wahre, was wir schließlich hinterlassen, ist Müll, mit dem sich die Hinterbliebenen rumärgern müssen.

Die Frage, was den Menschen wirklich frei sein lässt, habe ich mir schon lange gestellt und für mich auch einige Antworten gefunden. Eine Konsequenz daraus war übrigens damals meine Verweigerung gegenüber diesem „DDR“-Regime. ich lese in diesem Büchlein auch was von Menschwerdung. Ein Thema, dass sich in meinem Sprüche- und Gedankenbuch nieder geschlagen hat. Über dieses Kapitel, die Menschwerdung, lässt sich trefflich sinnieren.

Immer wieder stellt sich mir die Frage, wieso wir eigentlich auf diesem Erdball unser Unwesen treiben. Wozu? Mit welcher Sinnhaftigkeit? Wenn ich bedenke, wie wir stets bemüht sind, unsere Lebenszeit irgendwie tot zu schlagen und welche Energie wir darauf verwenden, wird dieses Fragezeichen immer größer. Die meisten von uns sind doch orientierungslos. Sie sind aktiv, vielseitig, vielseitig interessiert, aber doch nutzlos. Nutzlos, weil sie sich keine grundlegenden Erkenntnisse über ihr Leben und ihre Daseinsberechtigung leisten …wollen oder können.
Der Autor jenes Büchleins beklagt die Widersprüchlichkeit der Menschen im Gebaren um die Gesundheit. Ja wenn wir alle gleichermaßen einsichtsfähig und zu Korrekturen in der Lage wären, dann bräuchten wir keine lächerlichen Fitnessstudios und Trimm-dich-Pfad. Also stimme ich mit diesem Zeitgenossen schon mal überein. Auch was dessen Wertschätzung von vermeintlich Belanglosem angeht. Irgendwann ist mir gerade dazu wieder ein Sprüchle, im gebildeten Jargon würde man Aphorismus dazu sagen, eingefallen, mag es auch vielleicht etwas platt klingen: Mir fiel ein soeben: Letztendlich bestimmen doch nur die Kleinigkeiten unser Leben. (kdr)

Schönauer sucht nach den Schuldigen unserer menschlichen Misere. Aber wie das Attribut „menschliche“ schon sagt, sind allein wir dafür zuständig, du und ich gewissermaßen. Sonst niemand.
Sein ausgewähltes Zitat unter Sparsamkeit und Lebenspraxis trifft es auf den Punkt. Nicht, dass ich es zutreffend finde im gemeinten Sinn, sondern als Beleg dafür, dass wir schlicht und ergreifend Erkenntnis resistent sind, egal auf welcher Hierarchiestufe wir uns gerade befinden.

Über die Segnungen des Geldes, wenn man daran kommt, habe ich auch des Öfteren nachgedacht. Eine Erkenntnis daraus blieb nicht aus, oder mir nicht erspart, nämlich, dass wir immer noch nicht wissen, wozu Geld eigentlich wirklich nütze ist, also sein kann, wenn es nun schon mal unser aller Leben so maßgeblich bestimmt und uns prägt. Oder wir uns davon prägen lassen.
Auch amüsant finde ich den Abschnitt, bei dem er sich über die Segnungen und Sinnhaftigkeit von Erlerntem, von Bildung und Ungebildet sein auslässt und wie der Mensch damit umgehen kann. Und für dieses Phänomen ist mir doch prompt eine wenn auch boshafte Feststellung eingefallen: Dummheit auf hohem Niveau. Ich stimme Schönauer zu, wenn er meint, wir würden die Schwerpunkte im Leben verkennen und demzufolge falsch setzen. Aussteigen ist längst überfällig – nämlich aus der Zwangsjacke unserer Eitelkeiten. An dieser Stelle nochmals zu Goethe: Auch er war zeitlebens übermäßig eitel, oft bis zur Lächerlichkeit sogar und widersprüchlich, wie z.B. sein Ratschlag zum Thema „Stadtflucht – Landflucht“ unterstreicht. Denn gerade er ließ sich von ganz anderen Bestrebungen antreiben

Aussteigen heißt für mich auch, von eingefahrenen Gewohnheiten weg, gewissermaßen aus der Spur zu kommen. Was Neues anfangen – und zu Ende führen. Die wenigsten von uns sind dazu befähigt. Wäre das nicht so, würden wir uns über bestehende Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten ja nicht beklagen … müssen. Immerhin sind wir ein durchaus maßgeblicher Bestandteil davon. Doch wer leistet sich die Überwindung, darüber einmal nachzudenken? Schönauer tut das offensichtlich. Sein Büchlein liest sich wie eine Lebensbilanz. Aber alles, was im größten Teil des Lebens falsch gelaufen, von einem selbst unglücklich angefasst worden ist, bleibt einem ja. Der Vorteil hier ist, niemand beneidet einen darum. Schönauer zieht nach meinem Dafürhalten bei seiner Lebensbilanz allerdings den entscheidenden falschen Schluss. Er glaubt, dadurch frei zu sein und aus seinem bisherigen Leben aussteigen zu können, indem er Grund kauft und ein Haus darauf baut. Dabei übersieht er das Wesentliche, das Eigentliche, das einzig Akzeptable: Sich selbst. Sich selbst kann man sehr wohl ändern, ohne Grund zu kaufen und ohne Haus zu bauen. Niemand könnte das verhindern. Wir müssen es aber wollen. Aus Einsicht und Erkenntnis. Und nur das allein würde uns weiter bringen bei unserer steten, wenn auch mühsamen Fortentwicklung als Mensch. Ich vertrete schon sehr lange die Ansicht, dass wir uns als Menschen entwickeln müssen, und zwar bis zum Tod. Darüber hinaus geht ja wohl nicht. Oder doch? Ach ja, durch unsere Kinder. Immer darauf bedacht, wenigstens ein kleines Stückchen menschlicher, also besser zu werden. Besser werden bedeutet andererseits auch nicht, auf jeglichen technischen Fortschritt zu verzichten oder diesen ausbremsen zu müssen. Sofern es dem Menschen nützt und der Natur, Tiere inklusive, nicht schadet, bin ich für allen Fortschritt zu haben. Andernfalls können wir uns gleich als Mensch völlig in Frage stellen. Wozu sonst hat uns die Natur mit den berühmt berüchtigten grauen Zellen ausgestattet? Damit wir was Sinnvolles damit anfangen, ohne Schaden zu verursachen. Leider sind wir von der Prämisse noch weit entfernt. Auch wenn’s nervt, sogar hierzu ist mir ein Aphorismus eingefallen: Der liebe Gott hat dem Menschen zwar den Verstand gegeben, die Gebrauchsanweisung dazu hat er jedoch vergessen. (kdr)

Zurück zur Natur klingt beinahe so wie“ zurück in die Steinzeit“. Das kann’s ja auch nicht sein. Idyllische Natur – gut und schön – aber zum Einsiedler muss man im Alter nun auch nicht unbedingt mutieren. Wie Schönauer selbst einsieht, kann auch er auf bestimmte „Segnungen“ unserer technisierten Welt nicht verzichten. Bei allem Freiheitsdrang, ein bisschen Kooperationsbereitschaft wird einem schon abverlangt.

Also, mein lieber Freund Johannes, überlege Dir Dein Vorhaben gut und überstürzte nichts. Aber denke auch daran, viel Zeit bleibt uns nicht mehr. Am kostengünstigsten ist die Variante des Ausstiegs, die ich anfangs bereits dargelegt habe.

Mit der Hoffnung, Dich nicht allzu sehr mit meinen (anmaßenden) Phantasien genervt zu haben, wünsche ich Dir noch einen herrlichen Frühsommertag.
Herzlich – Klaus

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