Verfasst am 09.11.2009 11:19:42 Uhr
Was lernen wir, was haben wir gelernt von den Pogromen gegen die Juden am 09.11.1938? <<< lesen
Zitiert aus : Pogrom:
„Unter einem Pogrom versteht man eine gewaltsame, auch organisierte Massenausschreitung gegen Mitglieder religiöser, nationaler, ethnischer oder andersartig definierter Minderheiten oder Gruppen einer Bevölkerung, oft verbunden mit Plünderungen und Misshandlungen sowie Mord oder Genozid.“
Was haben wir gelernt von den Pogromen der deutschen Bevölkerung gegen die jüdischen Landsleute am 09.11.1938?
Die Reichskristallnacht. Es ist kaum zu glauben, aber Pogrome wie am 9. November des Jahres 1938 gegen die jüdische Bevölkerung stehen für mich in einem engen Zusammenhang auch mit unserer Aufarbeitungskultur unserer jüngeren deutschen Geschichte, hier insbesondere gegenüber die der „DDR-Diktatur“.
Der wohl allerwichtigste Bestandteil dieser Kultur, das Verhalten der Bevölkerung in einer Diktatur, sollte eigentlich längst in den Focus unserer Aufmerksamkeit rücken, wenn nicht geschehen, dann eben gerückt werden. Wer sollte das tun? – Das kritische Hinterfragen dieser diskussionswürdigen Verhaltensweisen einmal im Kollektiv, zum andern auch als Einzelperson ist die eigentliche Substanz der Aufarbeitung von Verhaltensweisen und der Zusammenhänge, geschichtlicher allemal. Eigentlich ein spezielles Thema für Soziologen. Ohne diesen entscheidenden Gesichtspunkt ins Auge zu fassen und endlich zum Gegenstand der Auseinandersetzung mit sich selbst, mit der eigenen Rolle in einer Gesellschaft zu machen, ist jegliche „Aufarbeitung„ letztlich keine, sondern geht ins Leere und bleibt eine traurige, im negativen Sinn folgenschwere Farce.
Die äußerst niederträchtigen, fiesen, beschämenden Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung am 09.November 1938, später oder parallel dazu gegen sogenanntes „unwertes Leben“ und Andersdenkende sind mit Wissen und immerhin unter den Augen der damaligen deutschen Bevölkerung, mit deren Billigung, lautstark oder schweigend, mit deren aktiver Beteiligung sogar verübt worden.
Daran muss endlich einmal rigoros und ohne Wenn und Aber erinnert werden! Aber nichts da! Kein Historiker, kein Politiker, kein Politologe, kein Soziologe, kein Journalist traut sich zum Bekenntnis zu dieser unangenehmen, entlarvenden Wahrheit. Warum wohl? Um sich durch Wahrhaftigkeit, Anstand, Würde und guten Willen zur Aufarbeitung unserer schlimmsten Schwächen, weit verbreitet in der Bevölkerung, die aus vermutlich oder bereits deutlich sichtbar gleichem Holz geschnitzt ist wie damals, nicht etwa unbeliebt zu machen? Ich sage JA, so ist es. Oder die aufgeführten Berufsinhaber sind selbst nicht in der Lage, ihre eigene Stellung in einer Gesellschaft realistisch einzuordnen und zu werten.
Die Flucht in „Nichts von allem wissen wollen“ oder armselige Feigheit schafft eines der schlimmsten Übel unserer Spezies Mensch nicht aus der Welt: sträfliche Ignoranz und Mitwirkung im Kollektiv. Solche Verhaltensweisen bringen uns als sozialisierte, zivilisierte Kreaturen auf diesem Globus in unserer geistig-moralischen Entwicklung nicht wirklich voran. Von wegen „Krönung der Schöpfung“, als die wir uns arrogant wie blasiert beweihräuchern.
Solange die bisher unterlassene Nabelschau ausbleibt, besteht jederzeit akute Rückfallgefahr in die exzessive Form unserer verheerenden Verhaltensweisen.
Unsere Neigung zu Pogromen besteht also weiterhin. Um zu dieser emotionslosen Feststellung zu kommen, muss man beileibe keinen akademischen Psychologiestoff gepaukt haben, dazu reicht schlichtweg schon gesunder Menschenverstand und ein bereitwilliges, sensibles, konsequentes Wahrnehmungsvermögen; und in Folge dessen bedarf es freilich auch der Fähigkeit und des Willens, auf Wahrnehmungen angemessen zu reflektieren und korrigierend zu reagieren.
Doch dazu gehört auch die viel zitierte, lauthals in der Öffentlichkeit, ausgerechnet von Medienvertretern und Politiker eingeforderte Zivilcourage. Und gerade die Fähigkeit zur Zivilcourage ist maßgeblicher Bestandteil des Themas „Aufarbeitung“.
Darum sehe ich einen direkten Zusammenhang unserer bisherigen Unfähigkeit zur ehrlichen, allumfassenden Geschichtsaufarbeitung ohne Wenn und Aber im Hinblick auf die beiden jüngeren zurückliegenden Regime zu den Pogromen am 09.11.1938 in Deutschland.
Klaus R.