mit dieser neuartigen Ausstellung zu unserer deutschen Geschichte wird vielleicht der längst überfällige Versuch unternommen, sich von der Unmöglichkeit einer kollektiven Schuld im Nazideutschland zu verabschieden. Die geradezu schüchtern aufgeworfene Frage, woran es gelegen haben könnte, dass über 80% der deutschen Bevölkerung dem Hitler-Regime so fürchterlich unkritisch und bedingungslos angehangen hatte, sucht man zu beantworten, indem insbesondere zwei Gründe dafür herhalten müssen:
- einmal Angst (wovor eigentlich),
- zum andern eine Erwartungshaltung (welcher Art die jedoch hätte sein sollen, wird beflissentlich verschwiegen).
Mir ist auf Anhieb ein weiter Grund eingefallen: Eitelkeit, primitive Eitelkeit noch dazu! In den dafür infrage kommenden Bevölkerungsschichten war damit verbunden das Trachten nach Karriere, auf Teufel komm raus, ohne Rücksicht auf Moral und Anstand! Sogar die Selbstachtung blieb dabei auf der strecke! In nahezu allen Schichten der Bevölkerung überwog offenbar der Wille, unbedingt „etwas zu werden“. – Was aus den Menschen allerdings infolge dessen tatsächlich geworden war, sind Menschenverächter und im ganz üblen Fall Mörder. Und zwar im Kollektiv. Jeder mit seiner persönlichen Intensität, stets nach dem Motto: Im Kollektiv sind wir stark. Daher dürfen wir Deutsche uns nicht länger der Existenz einer Kollektivschuld widersetzen. Die unglaublichen Verbrechen unseres Volkes an Millionen Menschen in der ganzen Welt gehören endlich zur Sprache gebracht, und zwar ohne Wenn und Aber, ohne sich hinter einer angeblichen Nichtexistenz von Kollektivschuld zu verdrücken. Die Anerkennung von Kollektivschuld ist der Schlüssel zum Erfolg.
Nur so ist eine ehrliche, weitreichende und wirkliche Aufarbeitung der unfassbaren Gräueltaten der Menschen, der erwachsenen Bevölkerung, während des Naziregimes und letztendlich auch das durchaus ähnliche Verhaltensmuster der Menschen im SED-Blockparteien-System und die daraus erfolgten Verbrechen gegen die Menschenwürde und Menschenrechte möglich. Nur so können wir Deutsche mit unserer Vergangenheit fertig werden und diese hinter uns lassen! Anders geht das nicht, da können wir uns einreden und einreden lassen, was wir wollen. In der „DDR“ sind übrigens die gleichen Mechanismen zum Einsatz gekommen, wie in der Nazizeit. Schon die Kinder wurden massiv auf das Regime eingeschworen; und die Eltern haben es nicht verhindert (ich erspare mir hier den Hinweis auf die wenigen, löblichen Ausnahmen unter ihnen).
Beginnen wir endlich mit der ehrlichen, ungeschönten, kompromisslosen Aufarbeitung unserer beiden jüngeren deutschen Geschichten! Vor allem ehrliche, nur den Gegebenheiten verpflichtete Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologen könnten dazu wesentliche Impulse aussenden.
Nur durch eine rigorose, schonungslose Aufarbeitung unserer persönlichen, individuellen Fehler im Zusammenwirken innerhalb eines Kollektivs wird der Weg frei zu einer nachhaltig charakterlichen Veränderung unseres Volkes und seiner Verhaltensweise.
Klaus R. am 15.10.10